Seine Erzählung, welche von einem rohen und ungestümen Naturalismus geprägt ist, versammelt die Aufmerksamkeit um das Landleben, seine Problematiken und die aus ihm resultierenden affektiven Beziehungen. Jede einzelne Darstellung ist eine Art Röntgenbild der Ereignisse, ein Zeitdokument und eine Hommage an die ländliche Kultur Brasiliens und Lateinamerikas. In seinem Fall wirkt die Malerei fleischlich, regt zum Kauen an und erzeugt eine geradezu bulimische Angst vor einem Objekt der Begierde, welches letztendlich nichts anderes als das Leben selbst ist. Auf diese Weise verleiht die Malerei der historischen Entwicklung sowohl Anschaulichkeit als auch Bedeutung.
Wenn wir unter traditioneller Bilderzählung eine Aufzeichnung des sozialen und ästhetischen Verhaltens verstehen, welches eine Gruppe von Menschen charakterisiert, die einer bestimmten Zeit, einem bestimmten Ort und einer bestimmten Kultur angehört, dann müssen wir den traditionellen Charakter und die traditionelle Dimension anerkennen, die in dem Werk dieses außergewöhnlichen Künstlers verankert sind. In ihm vermischen und überlagern sich die traditionellen Gattungen der Malerei, wie da sind das Porträt, die Landschaftsmalerei und das Stillleben. All dies unter Inanspruchnahme einer erstklassigen Technik und einer enormen Fähigkeit das Wesentliche einer jeden Situation zu erfassen. Solchermaßen kann seine Malerei in jeder Hinsicht als eine Art filmische Tätigkeit oder als ein singuläres Vorgehen in der Konservierung der von ihm betrachteten Realität gedacht werden. Beide Möglichkeiten erlauben es ihm zweifellos sowohl die Codes des modernen Lebens zu dezentralisieren als auch eine Krise in der sonderbaren Beziehung herbeizuführen, welche sich zwischen der wachsenden Technologisierung und einer gewissen Nostalgie für die Vergangenheit oder dem, was, anthropologisch gesprochen, als etwas Untergeordnetes aufgefasst wird, spannt.
Jegliche Lektüre stellt ein Eindringen in die Realität des Anderen dar, ist eine indiskrete Annäherung, welche die Auf- und Abstiege der narrativen, visuellen und symbolischen Systeme in Verbindung mit ihrem historischen Horizont offenlegt. Insofern impliziert jede Lektüre die Segmentierung, Einschränkung und Reduktion unserer Welt, welche anhand von wissenschaftlichen, intellektuellen oder künstlerischen Parametern beobachtet und gemessen wird. Im konkreten Fall Barolis beschränkt sich der Bildtext jedoch nicht auf eine bewundernde Distanz oder die gewöhnliche Ausdrucksform, der man begegnet, wenn es sich um die kulturellen Werte des Anderen handelt. Im Gegenteil, seine Malerei ist wesentlicher Teil dieser Realität. Er selbst begreift sich als Teil dieser Zeit und dieses Ortes und erkennt seine Verbindung zur Seele der Dinge, die er übersetzt und reflektiert. Die ethnografischen und kolonialen Visionen des lo latinoamericano (jenes, was als „das Lateinamerikanische” bezeichnet wird), haben Meere an Seiten hervorgebracht, welche von Verzerrungen, Abschwächungen und Auslassungen geprägt sind. Daher kommt es, dass die natürlichen Gegebenheiten und die kulturellen Angaben, die in den Bildern des Künstlers wirken, nach einem Wandel hin zu einer neuen Sichtweise der Dinge streben.
Barolis Werk entsteht dahingegen nicht aus der Beschreibung des Touristen oder des Fremden, welche sich der Darstellung der Schwäche von Archetypen und Typisierungen hingibt; vielmehr erreicht es Genauigkeit mittels Nähe, um so den blanken Nerv jener Kultur, die den endlosen inhaltsleeren und überflüssigen Behauptungen unterliegt, zum Pulsieren zu bringen. Fábio malt mit einer absolut überzeugenden Ehrlichkeit, verschlüsselt ein Universum aus Situationen, Gesten und Praktiken, welche eine Landkarte bilden, auf der das Lesen dem Akt des Schreibens weicht. Lateinamerika hat genug von seinen offenen und entblößten Adern, von so viel verzerrter und fetischistischer Lektüre, von den karnevalesken und nostalgischen Annäherungen. Fábio Barolis Lateinamerika, ländlich und bäuerlich, dezentralisiert und peripher, präsentiert sich unter dem Siegel der Authentizität und des Wissensdrangs. Die Kultur benötigt nicht mehr Anleitungen, nicht mehr nüchterne Rezepte; sie braucht, und zwar dringend, die Befreiung und Rettung des Erfindertums, der Magnetisierung des Authentischen, der Naturalisierung seiner alltäglichen Rituale; Rituale, die durch den kolonialen Blick in eine Szenerie des Exotischen verwandelt wurden. Der Durst nach westlicher Andersartigkeit hat die Rolle des lateinamerikanischen Künstlers und seiner Kunst verdrängt und ihre Funktionen (sowie Repräsentationen) auf die des Anthropologen und Ethnographen des Moments reduziert, als direkte/perverse Folge einer eigennützigen Verfälschung der Realität.
Barolis Oberflächen offenbaren seine einflussreichen Verbindungen zur Fotografie und seine Vorliebe für die Collage als eine Ressource, die es ihm ermöglicht eine bunte, sich ständig ändernde Vision der Welt zu kreieren. Seine herrlichen Kompositionen lassen die Nahtstellen dieses, den Operationen digitaler Software gleichenden, Bearbeitungs- und Montageprozesses sichtbar werden, während sie außerdem geradezu die Vorstellung des Palimpsests verkörpern, wobei dieses letztere eine der treffendsten Metaphern ist, die die Zeit und Realität des Lateinamerikanischen beschreiben. Die Fülle und Reichhaltigkeit seiner Malerei zeigt sich, paradoxerweise, in ihrer Leichtigkeit und Transparenz. Durch sie manifestieren sich die Zeichen des kulturellen Widerstands und die Unbedingtheit der eigenen Sprache. Seine Malerei ist Text und Magnet.
(Quelle: Andrés Isaac Santana; Übersetzung vom Spanischen ins Deutsche: Julie Anabelle Beinke)